Der Dunning-Kruger-Effekt
Warum sich Menschen selbst überschätzen.
Der Dunning-Kruger-Effekt beschreibt das Phänomen, dass gerade unwissende Menschen ihre Fähigkeiten überschätzen und sich als kompetenter präsentieren als sie eigentlich sind.
Warum ist das so? Und welche Folgen kann eine übertriebene Selbsteinschätzung haben?
Manche Menschen haben ein scheinbar unerschütterliches Selbstvertrauen: Selbst nach dem dritten Autounfall innerhalb eines Monats – ohne Fremdeinwirkung – sind sie der Meinung, dass sie überdurchschnittlich gute Autofahrer sind. Statt die Schuld bei sich zu suchen, schieben sie es zum Beispiel auf einen technischen Defekt am Auto oder die blendende Sonne.
Der Dunning-Kruger-Effekt beschreibt das Phänomen, dass Menschen mit geringer Kompetenz dazu neigen, ihre Fähigkeiten zu überschätzen, da sie nicht in der Lage sind, ihre eigenen Defizite zu erkennen.
Die Kurzformel: Betroffene sind nicht klug genug, um zu erkennen, dass sie dumm sind.
Namensgebend sind die Psychologen David Dunning und Justin Kruger, die den Effekt 1999 erstmals beschrieben. In ihrer Studie testeten sie die Teilnehmenden auf Logik, Grammatik sowie ihren Sinn für Humor. Diejenigen, die in diesen Bereichen schlecht abschnitten, neigten dazu, ihre Fähigkeiten zu überschätzen und sich als überdurchschnittlich kompetent zu betrachten. Die Teilnehmenden dagegen, die gut abschnitten, konnten ihre Fähigkeiten realistischer einschätzen.
Doch warum überschätzen sich Menschen? Dunning und Kruger führen den Effekt auf einen Mangel an Metakognition zurück. Metakognition beschreibt die Fähigkeit des Menschen (und auch einiger Tierarten), über die eigene Denkweise zu reflektieren und Entscheidungen zu hinterfragen.
Ein Defizit in der Metakognition führt nicht nur dazu, dass die Betroffenen sich selbst überschätzen, ihnen fehlt also auch gleichzeitig die Fähigkeit, dies zu erkennen.
Ein Beispiel: Die Fähigkeit, einen Satz richtig zu schreiben, ist die gleiche, wie die Fähigkeit, zu erkennen, ob ein Satz richtig oder falsch geschrieben ist.
Das bedeutet nach David Dunning, dass das Wissen, das man benötigt, um ein richtiges Urteil zu fällen, das gleiche Wissen ist, das man benötigt, um zu erkennen, ob ein Urteil richtig oder falsch ist.
Einige Studien deuten darauf hin, dass ein wenig Selbstüberschätzung nicht unbedingt schädlich sein muss. Im Gegenteil, es kann sogar von Vorteil sein.
So neigen Menschen, die zu viel Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten haben, oft dazu, sich mehr auf die erwarteten Vorteile als auf die Kosten zu konzentrieren. Das kann dazu führen, dass Menschen anspruchsvollere Ziele verfolgen und sich mehr anstrengen, um diese auch zu erreichen – was teilweise auch gelingt.
Es hat sich für innovative Branchen gezeigt, dass übertrieben selbstbewusste, zu selbstsichere oder zu übermütige CEOs, die in riskante Projekte investieren, oft die erfolgreicheren Innovatoren sind.
Ein übermäßiges Selbstbewusstsein kann auch einen Vorteil bezüglich des sozialen Status haben. Menschen halten andere Menschen, die übermäßig selbstbewusst sind, für kenntnisreicher und vertrauenswürdiger als ihre ebenso kompetenten, aber weniger selbstbewussten Mitmenschen und messen ihnen einen höheren Status bei.
Eine realitätsfremde Selbsteinschätzung allerdings führt zu unrealistischen Erwartungen, die Enttäuschungen und Frustrationen zur Folge haben, etwa wenn gesetzte Ziele nicht erreicht werden.
Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass man in eine Art Teufelskreis der Inkompetenz gerät.
Im Vergleich zu kompetenteren Menschen überschätzen sich inkompetente Personen nicht nur. Sie sind auch weniger in der Lage, anhand von Informationen aus dem sozialen Vergleich ihr wahres Leistungsniveau zu erkennen. Gleichzeitig verkennen sie die Leistung kompetenterer Menschen. Darum fehlen womöglich die Motivation und Notwendigkeit, sich weiterzubilden und die eigene Kompetenz zu steigern.
Laut Dunning und Kruger können inkompetente Personen kompetenter werden, indem sie ihre metakognitiven Fähigkeiten verbessern. Wie dies funktionieren kann, zeigt das Vier-Stufen-Modell der Kompetenzen. Die Stufen werden oft als eine Treppe dargestellt, bei der jede Stufe auf der vorherigen aufbaut:
- Unbewusste Inkompetenz: In dieser Stufe weiß die Person nicht, dass sie eine bestimmte Fähigkeit nicht besitzt oder dass sie Schwierigkeiten hat, sie auszuführen.
- Bewusste Inkompetenz: Die Person erkennt, dass sie eine bestimmte Fähigkeit nicht besitzt und dass sie etwas dafür tun muss, um diese Fähigkeit zu erwerben.
- Bewusste Kompetenz: Die Person hat die Fähigkeit erworben und ist in der Lage, sie anzuwenden, aber es erfordert immer noch Konzentration und Anstrengung.
- Unbewusste Kompetenz: Die erworbene Fähigkeit kann in dieser Stufe mühelos und automatisch angewendet werden.
Selbstreflexion ist also ein wichtiger Schritt. Sie kann das Bewusstsein für die Neigung zur Selbstüberschätzung schaffen und damit auch das Wissen, dass man sich weiterentwickeln muss.
Der Dunning-Kruger-Effekt besteht aus insgesamt vier Stufen von Selbstüberschätzung bis hin zu Ignoranz und Inkompetenz:
Stufe 1 Inkompetente Menschen überschätzen regelmäßig ihre Fähigkeiten.
Stufe 2 Deshalb sind sie nicht in der Lage, das Ausmaß ihrer Inkompetenz zu erkennen.
Stufe 3 Aufgrund dieser Blindheit können sie ihre Kompetenz nicht steigern.
Stufe 4 Und unterschätzen zugleich die überlegenen Fähigkeiten anderer.
Das klingt ein wenig nach Populärwissenschaft, die es auch ist.
Die beiden Psychologen bekamen deshalb für ihre „Entdeckung“ nur die satirische Auszeichnung des Ig-Nobelpreises für besonders abstruse Forschungen.
Dennoch muss man anerkennen: Das Phänomen lässt sich im Alltag immer wieder beobachten!
Immer wieder wird der Dunning-Kruger-Effekt von Psychologen kritisiert. Sie sagen, es gäbe ihn nicht, weil sich alle Menschen und ihre Leistungen in zahlreichen Fällen überschätzen. Wir halten uns generell für klüger, als wir wirklich sind. Wirklich widerlegt ist der Dunning-Kruger-Effekt damit zwar nicht, aber auch nicht unbestritten.
Kritiker bemängeln weiter, dass der Dunning-Kruger-Effekt zu vereinfachend sei und zu wenige Faktoren berücksichtige, die das Selbstbewusstsein und das Verhalten beeinflussen können.
So stellten Forscher und Forscherinnen der University of Chicago fest, dass Menschen dazu neigen, sich bei Aufgaben, die einfach scheinen, für überdurchschnittlich gut zu halten. Dieser Effekt wird manchmal als illusorische Überlegenheit bezeichnet.
Ein bekanntes Beispiel ist, dass sich die meisten Autofahrer und Autofahrerinnen für besser als der Durchschnitt halten, obwohl eben nur die Hälfte der Autofahrenden tatsächlich zu den besseren 50 Prozent gehören kann.
Vielleicht gibt es daher auch ca. 80.000 000 Fußball-Bundestrainer in Deutschland.
Bei Aufgaben hingegen, die schwierig erscheinen, schätzen sich Menschen schlechter ein. In ihrer Studie erhöhten die Forschenden den Schwierigkeitsgrad von Quizfragen, indem sie sehr präzise Antworten verlangten. Die Teilnehmenden schätzten ihre Leistung bei diesem schwierigen Quiz im Allgemeinen schlechter ein, so dass die schlechtesten Teilnehmer eine ziemlich genaue Selbsteinschätzung hatten, während die besten Teilnehmer sich stark unterschätzten.
Laut diesen Ergebnissen hätten also die kompetenteren Menschen das metakognitive Defizit und nicht die inkompetenteren wie beim Dunning-Kruger-Effekt.
Zum Dunning-Kruger-Effekt gibt es auch das Gegenstück – Menschen, die zwar über eine hohe Expertise verfügen, aber voller Selbstzweifel sind und sich deshalb für Hochstapler halten.
Der Fachbegriff dafür: Impostor-Syndrom. (Hochstaplersyndrom) Alles Wissenswerte über das Impostor-Syndrom findest du hier.
Quelle: AOK.de
Vielen Dank fürs Lesen und viele Grüße,
Richard
P.S. Für die bessere Lesbarkeit habe ich die maskuline Schreibweise verwendet. Angesprochen sind selbstverständlich immer alle Geschlechter.